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Christopher Nolans Interstellar

Liebe in Zeit und Raum. Wenn Pioniere über Geschichtsvergessene triumphieren.

Die Überbevölkerung, die auch in unserer realen Welt vorherrscht, hat die Menschheit in der nicht näher definierten Zukunft von Interstellar an ihren Zenit gebracht. Nahrungsmittelknappheit hat einen Großteil der Bevölkerung wieder zu Bauern werden lassen, um dem nahenden Hungertod zu entgehen. Vergangenheitsverklärung und umgeschriebene Geschichtsbücher stehen an der Tagesordnung, um die Folge-Generationen neu zu erziehen und das Überleben der Menschheit zu sichern.

Verfasser

Ralf

Sep 8, 2022

© watarusneighbour

Die Mondlandung? Hat nie stattgefunden. Der Wettlauf ins All? Ein kluger Schachzug der USA, um die Sowjetunion in den Bankrott zu treiben. „Es waren nicht Flugzeuge und Fernseher, die uns ausgingen, sondern die Nahrung“, merkt eine der Figuren bereits zu Beginn an. Doch die Rückkehr in ein reines Agrarzeitalter alleine reicht nichts aus. Unberechenbare Staubstürme vernebeln zunehmend die Atmosphäre und zerstören nach und nach die notwendigen Lebensbedingungen für den Menschen und auch für jegliche Art von Nutzpflanzen.


Vor einer Milliarde Jahren wurde uns das Leben geschenkt. Was haben wir daraus gemacht?

Diese Frage hat jüngst Luc Besson mit seinem unterhaltsamen und zugleich poetischen Bilderrausch Lucy aufgeworfen und sie dann auf seine ganz eigene hyperreale Art und Weise beantwortet. Eine ähnliche Frage könnte man auch anlässlich Christopher Nolans neusten Werks Interstellar stellen.

Was Nolan hier aufzeigt ähnelt unserer Welt bereits, ist aber gleichermaßen auch ein krasser Gegenentwurf dazu. Während die Menschheit in Interstellar hungrig nach Nahrung ist, wird sie bei uns immer hungriger nach mehr und mehr Technologie, die von einer stetig wachsenden Anzahl von Menschen geschaffen und konsumiert wird. In unserer schönen neuen Welt sind es immer noch Ingenieure, die gefragter denn je sind.  Auf evolutionärer Ebene herrscht hingegen ein gewisser Stillstand, den im Film auch die Figur des Cooper (Matthew McConaughey) beklagt. Wir haben es verlernt nach Höherem zu streben, nach den Sternen zu greifen und unserer Natur als Pioniere zu folgen. Die Menschheit wurde auf der Erde geboren, aber sie war nie dazu bestimmt, hier zu sterben.

Nur eine kleine Restgruppe der NASA hat sich diesem Pionier-Dasein verschrieben. Eine Gruppe, die sich in jahrelanger Vorbereitung auf die Suche nach neuen Planeten zum Überleben gemacht hat, auf die Suche nach einer zweiten Erde für künftige Generationen. Die Mission steht – inklusive Pilot und Besatzung – doch als Cooper kurz vor dem Start auf dieses wohlgehütete Geheimnis stößt, wird er aufgrund seiner jahrelangen Flugerfahrung zum neuen Wunschpiloten des Teams, das von Professor Brand (Michael Caine) und seiner Tochter Amelia (Anne Hathaway) angeführt wird.

Wie in seinen vorherigen Filmen, hat Christopher Nolan neben den überzeugend aufspielenden unverbrauchten Darstellern wie hier David Gyasi auch wieder eine ganze Reihe namhafter Schauspieler sowohl in Haupt- als auch Nebenrollen versammelt: etwa John Lithgow als fürsorglicher Großvater und Wes Bentley als eines der Crewmitglieder auf der Mission ins Ungewisse. Darüber hinaus Casey Affleck als etwas in sich gekehrte Figur, die nach dem Verlust des Vaters außen voller Ruhe aber innerlich voller Zorn steckt und seine Schwester, gespielt von Jessica Chastain, die alles daran setzt, ihren Vater zu ignorieren und zu vergessen, bis sie schließlich erkennen muss, dass die Dinge nicht so liegen wie gedacht. All diese Figuren stehen im Zentrum der Geschichte und ich kann nicht umhin anzumerken, dass aus dieser Geschichte Christopher Nolans wohl persönlichster Film neben Inception entstanden ist, der zugleich um ein Vielfaches emotionaler ausfällt. Beide Filme bieten abstrus und gar unmöglich erscheinende Kulissen und dennoch sind es immer die Figuren und ihr Leben, die im Kern des Ganzen stehen, und die die überlebensgroß wirkenden Geschichten in einer gewissen überhöhten Realität verankern.

In diesem Kern von Interstellar befindet sich auch eine familiäre Liebesgeschichte. Während Coopers 15-jähriger Sohn Tom eine Verbindung zu seinem Vater hat, die ohne viele Worte auskommt, und voller Respekt ihm gegenüber ist, fällt es Cooper sehr schwer, seine 10-jährige Tochter Murph, zu der er eine innige Verbindung hat, versöhnlich zu stimmen, als er sich dafür entscheidet, die Reise ins All anzutreten. Das Band scheint unwiderruflich zerbrochen als er sie unter Tränen verlässt, um seinem inneren Drang nach mehr als dem bloßen Fortbestehen auf der Erde nachzugeben. Eine neue Erde zu finden und zu seiner Tochter zurückzukehren, – egal wie viele Jahre es kosten wird – ist von da an die treibende Kraft in Coopers Leben.

© 2022 Warner Bros. Entertainment

„Früher haben wir in den Himmel gesehen, und uns gefragt: wo ist unser Platz zwischen den Sternen? Heute sehen wir nach unten und sorgen uns um unseren Platz im Dreck.“

Eingebettet ist dieses Familien-Drama in einen zutiefst visuellen und auditiv packenden Science-Fiction-Film, der den direkten Vergleich zu Filmen wie Stanley Kubricks 2001 oder Robert Zemeckis Contact nicht scheuen braucht, ihn jedoch nicht nötig hat. Nolan macht allerdings keinen Hehl daraus, ein großer Kubrick-Fan zu sein. Für ihn ist 2001: Odyssee im Weltraum „pure cinema“, Kino in seiner reinsten Form also. Da erscheint es nur logisch, dass er diesem Epos mit seinen eigenen Bildern sich drehender Raumstationen – und tatsächlich gebauter Filmsets statt Greenscreens – seinen Tribut zollt.

Auch in der Filmmusik von Hans Zimmer findet man eine Hommage an den Meister wieder: Ruft man sich in Erinnerung, dass Zimmer für Inception Édith Piafs „Non, Je Ne Regrette Rien“ immens verlangsamt hatte, um es in die Filmmusik zu integrieren, wird einem hier schnell bewusst, welcher klassischen Vorlage er sich für seine von Orgelklängen vorangetriebene Filmmusik bedient hat. Wer genau hinhört wird nicht nur einmal den Donauwalzer von Strauss wiedererkennen. Glaubt man der Geschichte um die Filmmusik, so gab Nolan Hans Zimmer zu Beginn lediglich eine einseitige Ausführung, – genauer gesagt einen handschriftlichen Brief – in der sich Nolan eher auf Zimmer persönlich bezog als auf Details der Handlung, und dazu gab es eine klare Ansage, die er auch auf eine Armbanduhr gravieren ließ und dann Zimmer schenkte: „Dies ist nicht die Zeit für Vorsicht“. Mit anderen Worten: es ist an der Zeit, sich neu zu erfinden. Das Ergebnis wird die Zuschauer, wie so oft bei Hans Zimmer, auch hier wieder spalten und das vermutlich dieses Mal in gleich drei Lager: Hass, Gleichgültigkeit oder Liebe.

Letzteres Gefühl ist das, welches bei mir überwiegt, denn Hans Zimmer beweist hier erneut eine Vielseitigkeit, die man so von ihm zuletzt etwa in Ron Howards RUSH erleben durfte, und es ist zugleich auch das dominanteste Gefühl des Films.

Wenngleich die Vater-Tochter Beziehung an Intensität auch etwas hinter den tragischen Liebenden aus Inception stehen mag, so wirkt die Liebe an sich hier dennoch präsenter als je zuvor in Nolans Filmen und wird vom bloßen Beweggrund zur allesdurchdringenden Kraft, die Zeit und Raum überwinden kann. Anne Hathaways Figur der Amelia vertritt diese These vehement im Film und ermutigt uns als Zuschauer, daran zu glauben. Wenn die Liebe es bewirkt, dass sie sich über immense Entfernungen hinweg zu einem anderen Menschen hingezogen fühlt und dies nicht rational begründen kann, dann muss dieses Gefühl einfach eine Bedeutung haben. Die Liebe ist etwas Unerklärliches, das nicht vom Menschen konstruiert oder erschaffen wurde. Sie existiert einfach und dafür muss es einen Grund geben. Diese Botschaft vermittelt Interstellar laut und deutlich und brilliert damit als Unterhaltungsfilm nicht bloß in puncto weitblickender Handlung, sondern auch auf der emotionalen Ebene.

Nachdem er die Batman-Trilogie hinter sich gelassen hat, fokussiert Christopher Nolan all seine Kräfte erneut auf eine originäre Geschichte. War Inception bereits ein beispielloses Durchatmen vor dem großen Finale seiner Version des Dunklen Ritters, so ist Interstellar das Werk eines losgelösten Regisseurs, der zugleich Vater vierer Kinder ist. Aus dieser Perspektive wirft er große Fragen dazu auf, wie man in dieser Rolle das Leben seiner Kinder prägt und wie man es mit sich selbst vereinbaren muss, dass man irgendwann einmal nicht viel mehr sein wird als ein Geist in der Zukunft seiner Kinder. Das Ergebnis ist ein tiefgründiger Blick auf das menschliche Dasein vor einer überwältigenden Kulisse.

[Verfasst am 19. November 2014]

Another perspective

Ralf

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