„Beide sind Teil desselben Kreislaufs, in dem sie sich gegenseitig formen und von einander geformt werden.“
Park Chan-wooks Die Frau im Nebel
Mit Die Frau im Nebel widmet sich Park Chan-wook einmal mehr und direkter als je zuvor der Liebe und ihren zerstörerischen Kräften.
© Mubi
Der Regisseur von Oldboy und The Handmaiden kehrt mit einem eindrucksvollen Film zurück, der den klassischen romantischen Fatalismus fließend mit einer neuzeitlichen Interpretation des Film Noir verbindet. Es ist eine vielschichtige Erkundung von Begehren, Moral und den gefährlichen Banden, die beides unweigerlich miteinander verweben.
Es liegt ein Toter vor und das Rätsel, ob es ein Unfall oder Mord war. Schon bald kreuzen sich die Wege des unter Schlaflosigkeit leidenden Detektivs Hae-jun und Seo-rae, der Witwe des Verstorbenen. Aus der unerwarteten Anziehungskraft zwischen den beiden entsteht eine verhängnisvolle Liebe, die beide in einen tiefen Abgrund zu ziehen droht, dem sie nicht mehr entkommen können.
Park Chan-wooks Umgang mit der Figur der Femme Fatale ist ebenso geschickt wie subversiv. Statt sich der traditionellen und oft heimtückischen Darstellung der Femme Fatale als manipulativ und durchtrieben zu bedienen, verleiht er seiner Frauenfigur eine Komplexität und Tiefe, die über das Klischee hinausgeht. Er unterstreicht den Konflikt zwischen Rationalität und den tieferen Impulsen der menschlichen Psyche durch die Darstellung authentischer Individuen, deren Handlungen und Beweggründe von der ihnen innewohnenden Zerrissenheit geprägt sind. Hierdurch entsteht ein Gefühl der Empathie und des Verständnisses, das in der gewöhnlichen Femme-Fatale-Erzählung häufig verloren geht. Durch seine einzigartige Annäherung an das Genre fordert Park Chan-wook den Zuschauer auf, seine Vorannahmen über alles, was er sieht, zu hinterfragen.
© Mubi
„Beide sind Teil desselben Kreislaufs, in dem sie sich gegenseitig formen und von einander geformt werden.“
Die allmählich aufkommende Liebe wird auf eine Weise dargestellt, die zugleich distanziert und anziehend zugleich ist. Park Chan-wook entwirft eine metarealistische Bühne, die einen traumhaften Sog erzeugt, aber auch einen ebenso plötzlichen Rückfall in die Realität. Es sind oft diese Kontrastierungen, die diesem Film eine poetische Qualität verleihen. So gibt es immer wieder allegorische Verbindungen der Figuren, indem er die Berge und sie das Meer repräsentieren.
Der Berg wie auch der Detektiv können als Beständigkeit betrachtet werden, fest in der Erde verwurzelt, über die Menschen wachend, die umgekehrt auch anerkennend aufblicken können. Sie hingegen, das Meer, stellt eine Endlosigkeit dar, die in ihren Tiefen voller Geheimnisse und Mysterien steckt. Wie die Berge und das Meer sind die beiden nicht so grundverschieden, wie sie zunächst erscheinen. Beide sind Teil desselben Kreislaufs, in dem sie sich gegenseitig formen und von einander geformt werden. Park Chan-wook greift diese äußeren Gegensätze auf, um ihre innere Annäherung kontinuierlich auszuleuchten. Die Symbolik ist zuweilen versteckt, zuweilen leinwandfüllend. Dabei stehen sie weniger im Zusammenhang mit Erkenntnissen als mit Fragen nach den Beziehungen zwischen den Dingen.
Wer mit Park Chan-wooks Filmen vertraut ist, wird nicht überrascht sein, dass auch die Farbgestaltung dieses Thema sehr deutlich aufgreift. Seien es Details im Hintergrund oder die Kleidungsstücke, die getragen werden. Er verwendet oft kräftige, intensive Farbtöne, um ein Gefühl von erweiterter Realitätsebene zu erwecken. Park nutzt zudem eine stilisierte Bewegung innerhalb des Bildes; besonders markant ist es, wenn sich der Protagonist durch eine Reihe von fließenden Übergängen bewegt und seiner Gedankenwelt damit tatsächlich Raum zum Atmen gegeben wird. Eine Technik, die er in ähnlicher Form bereits in Sympathy for Lady Vengeance eingesetzt hat.
Wie die Szenerie des Films ist alles, was geschieht, von einem dichten Nebel umhüllt, nicht nur das, was wir sehen, sondern auch das, was gesprochen wird, bleibt nebulös. Seo-rae, die großartig von Tang Wei gespielt wird, ist eine chinesische Immigrantin, und so werden in den Gesprächen Koreanisch und Chinesisch vermischt, so dass die Worte erst nach der Übersetzung zueinander finden. Was hier gesagt wird, bleibt oft diffus, die aufrichtige Kommunikation zwischen den beiden findet viel mehr zwischen den leisen Gesten statt. Was bei Park Chan-took nicht verwundert, ist die Tendenz zum übermäßigen Einsatz von technischen Kameratricks und Symbolismen, die zwar eindrucksvoll in Szene gesetzt werden, aber den Blick im Gegenzug für diese subtilen und fragilen Szenen verstellen, in denen die Nuancen der menschlichen Interaktion nicht zur vollen Entfaltung kommen. In manchen Momenten hätte ich mir eine tiefere Vertiefung der stilleren Szenen gewünscht - es sind diese Bilder, die es uns erlauben, eine nähere Verbundenheit mit den Figuren herzustellen, und es sind diese Verbindungen, durch die die Themen des Films auf einer persönlicheren Ebene nachhallen können. Diese Szenen waren es, die mir wirklich im Gedächtnis geblieben sind, die aber oftmals von der übermäßigen Präsenz der Inszenierung überschattet wurden.
Die Musik von Park Chan-wooks langjährigem Komponisten Cho Young-wuk ist feinfühliger und subtiler als sonst, was die Ambiguität und die emotionale Zurückhaltung der Figuren unterstreicht. Die Zurückhaltung und die Vorrangigkeit des rätselhaften Elements ermöglichen den spannungsvollen Aufbau und die Wirksamkeit eines ergreifenden Finales und einer abschließenden musikalischen Komposition, die den Gefühlszustand der Figuren prägnant zum Ausdruck bringt.
Von der Eröffnungseinstellung bis zum Abspann ist Die Frau im Nebel ein wahres Sinneserlebnis mit Bildern wie aus Gemälden und einer ausweglosen Liebesgeschichte, in der die zwischenmenschlichen Aspekte gegenüber dem Nervenkitzel zunehmend in den Vordergrund treten. Was den Film wirklich hervorhebt, ist sein poetischer Kern. Es hat lediglich einen gewissen Makel in dem delikaten Balanceakt zwischen dem Bedürfnis nach visueller Kunstfertigkeit und der Sehnsucht nach emotionaler Authentizität. Es schien, als wären die beiden Aspekte nicht gänzlich im Einklang, was zu einer Überbetonung des Intellekts auf Kosten der emotionalen Wirkung auf den Zuschauer führt. Dennoch ist es Park Chan-wook gelungen, eine wahrhaft Hitchcock'sche Detektivgeschichte mit seinem einzigartigen Gespür für Form, Poesie und verführerischer Romantik spielerisch zu verbinden.