„I’ve said goodbye to my boogeyman, but the truth is, evil doesn’t die. It changes shape.’“
Laurie Strode
David Gordon Greens Halloween Ends
Zur Melodie des Halloween-Themas: Tschu-tschu-tschu, tschu-tschu-tschu, tschu tschu! Hört ihr das auch? Nein? Tja, das ist der Hasser-Zug, der im Hintergrund vorbeirollt und an Bord sind all die Menschen, die nicht imstande sind, diese mutige, unerwartete Herangehensweise an dieses ikonische Franchise bereitwillig anzunehmen.
© 2022 Universal Studios. All rights reserved.
Als Eröffnung für seinen letzten Halloween Film schnappt sich David Gordon Green das, was man üblicherweise als eine Wegwerf-Übung des spannungsgeladenen Makabren in einem Scream Film bezeichnen würde, und er besitzt dann die Verwegenheit, daraus auch noch den gesamten emotionalen Kern seiner Trilogie-Abschluss-Geschichte zu machen. Das gelingt ihm nicht nur auf wundervolle Weise, nein, er reichert diese auch noch kreativ an und verleiht dem Franchise-Kanon damit eine ungeheure Tiefe, die ihn zudem mit Sinn und unerwarteten Zwischentönen füllt, was den Ursprung des Bösen betrifft aber auch wie es sich ausbreiten kann, und was mit einer Stadt passiert, die nicht nur die Ereignisse aus dem Jahr 1978 durchlebt hat, sondern auch die der zwei vorhergehenden Filme – insbesondere die des letzten.
Der Kürbis-Vorspann in diesen Filmen mag zwar nur als thematisch passender Zeitvertreib erscheinen, während wir lesen, wer alles im Film mitspielen wird, aber ich bin der Überzeugung, dass er jeweils von weitaus größerer Bedeutung ist. In Halloween aus dem Jahr 2018 zeigt der Vorspann einen platten, zerquetschten Kürbis, der langsam aber sicher wieder in seiner ursprünglichen Pracht erstrahlt, und so gut wie identisch zu dem Kürbis ist, den wir im allerersten Halloween Film von 1978 zu sehen bekamen. Das kann man durchaus so deuten, dass die Macher sich ihrer Herkulesaufgabe bewusst gewesen sind, als sie sich entschieden, diesem Franchise nochmal eine Chance zu geben. In Halloween Kills greift der Vorspann das Feuer-Thema auf, mit dem der letzte Film zu Ende ging, und er zeigt uns, wie selbst die stürmischste Flamme anscheinend nicht imstande ist, den letzten Halloween-Kürbis, den wir im Bild sehen, zum Platzen zu bringen oder zu zerstören – im Gegenteil, der Kürbis erstickt letztlich sogar die Flamme. Ich bin davon überzeugt, dass uns der Vorspann hier, in Halloween Ends, auf subtile aber bestimmte Weise auf die Matrjoschka-Puppe des Bösen vorbereitet, in der Boshaftigkeit in Boshaftigkeit in Boshaftigkeit zum Vorschein kommt und das unaufhörlich, genauso wie hier Kürbis in Kürbis in Kürbis steckt, mit Blick heraus aus der Leinwand direkt auf uns und uns immer näher und näher kommend, bis schließlich der letzte Kürbis plötzlich die Perspektive wechselt und sich von uns abwendet. Hat das Böse uns also am Ende doch auch erwischt und ist der Kürbis zum Stellvertreter für uns und unsere verborgene Veranlagung geworden?
© 2022 Universal Studios. All rights reserved.
„I’ve said goodbye to my boogeyman, but the truth is, evil doesn’t die. It changes shape.’“
Laurie Strode
Ich glaube nicht, dass ich mich in besonders vielen der vorherigen Halloween Filme so für die Figuren, die uns vorgestellt werden, interessiert habe, geschweige denn, dass ich mehr über sie herausfinden wollte und darüber, wo sie in ihrem Leben gerade stehen, und dass ich einfach glücklich darüber war, die Szenen mit ihnen zu erkunden, während da immer diese deutlich spürbare Präsenz eines Michael Myers in fast jeder Einstellung lauert und das die ganze Zeit über, da wir erfahren, dass er bereits vier Jahre auf freiem Fuß ist, als die Hauptgeschichte dieses Films anfängt. Auf seine Präsenz wird ganz dezent hingewiesen, etwa mit schleichenden, langsamen Zooms und auch in den Momenten zwischen den Szenen, in denen wir einfach nur der Umgebung lauschen und überzeigt davon sind, dass er irgendwo im Schatten nur darauf wartet zuzuschlagen, doch das tut er nicht – gerade so, als wäre er Der Unsichtbare aus Leigh Whannells neuester Interpretation jener Figur.
Doch David Gordon Green hat etwas anderes, noch mehr, mit Michael Myers vor, das auf großartige Weise sein letztes Aufbegehren in den finalen Momenten von Halloween Kills in ein ganz neues Licht rückt denn – als er dann endlich in diesem Film hier erscheint – straft sein Zustand dieses letzte Bild, das wir von ihm hatten, zunächst Lügen. Nur durch ganz bestimmte Bewegungen und Veränderungen der Körperhaltung in James Jude Courtneys Performance nach einem Schlüsselmoment, der in dieser Szene später folgt, fühlt es sich für uns so an, als hätte man Myers neues Anti-Leben eingehaucht, dass ihn dazu zwingt ein letztes Mal zu wüten, doch das nicht ohne eine hochgradig erschütternde Wendung.
Es wird sicherlich Leute da draußen geben, die diese Herangehensweise an den Stoff gänzlich ablehnen. Nicht nur in den vorherigen Filmen, sondern ganz sicher in diesem Abschluss, und dass nur, weil sie nicht gewillt sind, die Veränderungen und Eigenständigkeiten in diesem Franchise und an dieser Figur zu akzeptieren, wo man doch ach so beharrlich meint, dass einem das Kino nichts Originelles mehr zu bieten habe. Hier ist es wohlgemerkt etwas Originelles, das nicht selbstzweckhaft daherkommt, sondern so fesselnd inszeniert ist, dass wir als Publikum beginnen, das Ausmaß von Michael Myers‘ Einfluss zu spüren, während dieser in der Eröffnungssequenz auf die Hauptfigur übergeht und uns wiederum mit dem Gefühl zurücklässt, als drücke uns jemand fest in unseren Sitz und ließe unseren gesamten Körper in Schockstarre verfallen, aus lauter Angst vor dem, was als nächstes geschehen wird.
Wenn ich mich recht erinnere, hat kein Film aus dieser Filmreihe für so eine Anspannung bei mir gesorgt, als ich ihn das erste Mal gesehen habe, und ich komme auch nicht umhin, hier mal wieder Carpenter und Sohn zu lobpreisen, die dazu mit einer weiteren bewundernswerten Mischung aus bekannten Melodien und neuen Kompositionen beitragen und die die Stimmung, die Green erzeugen will, auf so rohe und dennoch poetische Weise einfangen.
Geht man mal zurück an den Anfang des allerersten Films und erinnert sich daran, wer Michael Myers damals war, und welchen Gesichtsausdruck er trug, nachdem er gerade seine Schwester ermordet hatte, dann muss man es Green und seiner Besetzung sowie Besatzung schon hoch anrechnen, dass sie das Franchise zu seinen Ursprüngen zurückbringen und aus dem Bösen dabei eine ansteckende Kraft machen, die jeden treffen kann – selbst einen kleinen, unschuldigen Jungen.