Jordan Peeles Us
© Universal Pictures
Die Familie Wilson unternimmt einen Ausflug an die kalifornische Küste. Wie wir aus Horrorfilmen im Laufe der Jahre gewöhnt sind, begleiten wir banale Unterhaltungen und die friedliche Ruhe vor dem Sturm. In diesem Fall entpuppt sich der Sturm als rätselhafter, blutdürstiger Doppelgänger der Familie.
Die Rezeption von Horrorfilmen wird vom Erfolgsbestimmenden Publikum gemeinhin auf die Faktoren Grusel und Nervenkitzel reduziert. Entweder durch die Intensität der Brutalität, die Häufigkeit von Jump-Scares oder das Gelingen, Schauer zu erzeugen.
Im Gegensatz zur Realität werden diese Dinge im Film mit Vergnügen assoziiert. Der Nervenkitzel des Erschreckens, das Spektakel der Brutalität, die Aufregung des Erschreckens. Ein Gruselkabinett gegen Eintrittsgeld oder, modern ausgedrückt, ein James Wan-Film. Wir betreten diese künstliche und fantastische Welt, und der Schrecken verlässt uns, sobald wir das Kabinett verlassen. Wir betreten sie, um dem wirklichen Horror unserer Existenz zu entkommen.
Doch der wirkliche Horror findet sich direkt in unserem Leben. Manchmal so unmerklich, dass wir ihn nicht wahrnehmen können. Manchmal so grausam, dass wir ihn mit allem, was wir haben, verdrängen wollen. Genrebeschränkungen und die entsprechenden Vermarktungsmechanismen widersetzen sich der Portraitierung dieser Zustände. So findet sich diese Form des Horrors stattdessen in Filmen, die nicht das Label Horror tragen, wie etwa Hanekes Amour, der schonungslos die Angst vor Sterblichkeit und Tod porträtiert.
Vereinzelt taucht dieser Horror auch im namentlichen Genre selbst auf. In jüngster Zeit haben es Regisseure wie Ari Aster oder Jordan Peele erreicht. Peele gelingt es, wie schon in Get Out, das Gefüge des Horrorgenres zu nutzen, um den realen Horror in einem Unterhaltungskonstrukt unterzubringen. Er spielt mit den Konventionen des Genres und schafft eine durch und durch kontrastreiche und beklemmende Erfahrung zwischen Mainstream-Horror und der Sichtbarmachung des alltäglichen sozialen Grauens.
© Universal Pictures
Manchmal unsubtil und manchmal mit unerwartet platziertem Humor gelingt es Peele, eine Metapher für soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu schaffen, die Zweifel an der conditio humana sät und unsere eigene Grausamkeit sichtbar macht.
Der Doppelgänger in diesem Film ist die Konsequenz, die wir tragen und ignorieren, um unser Selbstbild nicht zu gefährden. Das Faszinierende an Us ist die Manifestation der Konsequenz, die nicht mehr akzeptiert, sondern Vergeltung sucht. In Wirklichkeit erleiden wir keine unmittelbaren Konsequenzen. Die Doppelgänger geben keine Antworten, sie werfen Fragen aus dem Blickwinkel verschiedener Perspektiven auf.
Peele umkreist diese Fragen und nutzt dabei erfolgreich die Konventionen des Survival-Horrors, um ein breiteres Publikum anzusprechen, das sonst vielleicht keinen Kontakt mit einer solchen Auseinandersetzung gewollt hätte.
Im Herzen des wirklichen Horrors geht es nicht um die Frage, ob die Protagonisten dem Grauen entkommen, sondern ob wir es tun, und Peele gelingt diese Fragestellung bemerkenswert gut.