Robert Jabbaz’ The Sadness
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Zunächst einmal ist der Name 哭悲 (chinesischer Titel von The Sadness, sprich Kū Bēi) dem taiwanesischen Schimpfwort "靠北" (Kào Bēi) in der Aussprache sehr ähnlich. Ursprünglich bedeutet es, den Tod des Vaters zu beklagen, im heutigen Sprachgebrauch meint man damit eher so viel wie "was zum Teufel". Es hat etwas sehr typisches und zugleich verwurzelt Taiwanesisches an sich.
Der Regisseur ist zwar Kanadier, hat aber zehn Jahre lang in Taiwan gelebt und lässt den Schauspielern eine Menge kommunikativer Freiheiten. Die Sätze sind meist sehr kurz und lebensnah. Das Szenenbild und die Leistungen der Schauspieler sind äußerst prägnant und tragen viel zur Authentizität des Grusels bei. Insgesamt ist die Geschichte aber eher dünn und relativ einfach strukturiert.
Einen Zombiefilm nach Schema F zu drehen, ist definitiv nicht das Ziel des Regisseurs. Was am meisten besticht, ist das Setting des Films – die mit dem Virus infizierten Menschen behalten noch ihre Intelligenz, während die Bosheit in den Herzen der Menschen unendlich vergrößert wird. Die Begierde ist zum einzigen Antrieb geworden, insbesondere die sexuelle Begierde als auch die Zerstörungslust am Körper. Zu Beginn beißt der Nachbar dem Protagonisten den Finger ab, isst ihn und spuckt ihn dann aus, um anzudeuten, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Zombiefilm handelt. Das ist unerwartet, aber in einem angemessenen Rahmen. Die Zombies werden von ihrem Appetit auf menschliches Fleisch und Blut in einer vor allem sexuellen Dimension angetrieben.
Zu den sieben Todsünden gehören Stolz, Eifersucht, Zorn, Faulheit, Habgier, Überessen und Lust. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass die Lust von Anfang bis Ende gezeigt wird. Aber auch andere Sünden werden dargestellt: Die Unzufriedenheit und das Klagen über andere wird zum Zorn, zur Zerstörungswut; die Liebe und die Beschützerinstinkt verwandeln sich ebenfalls in perverse Zerstörungswut.
Ich hatte daraufhin den Comic The Crossed von Garth Ennis gelesen, der fast die gleiche Prämisse wie der Film bietet. Zombies, die von gewalttätiger Perversion getrieben werden und nach und nach die gesamte Bevölkerung übernehmen. Es scheint, als ob der Regisseur die Vorlage recht unsubtil verwendet hat, was in einigen Szenen sehr deutlich wird.
© Capelight Pictures
Es versteht sich von selbst, dass der ganze Film blutig ist und dabei persönliche Grenzen herausfordert. Beängstigender und erschreckender als die Zombies sind jedoch die Veränderungen in der menschlichen Natur, sobald die Bedingungen eine extreme Wendung nehmen.
Hier setzt The Sadness an und holt die finstersten Fantasien des Menschen aus den einzelnen Wesen heraus. Weit entfernt von den dumpfen Untoten der Romero-Tradition ist das Beängstigende an diesen Zombies ihre Menschlichkeit, oder besser gesagt, welche schrecklichen Begierden in den Menschen stecken könnten. Dadurch entsteht eine erschreckende Stimmung, wie man sie in diesem Genre selten erlebt hat, und die dargestellte Brutalität ist um so schmerzhafter anzusehen.
Die bei weitem furchterregendste Figur im Film wird von Tzu-Chiang Wang gespielt. Das Beängstigende an ihm ist nicht die schiere Brutalität, mit der er handelt, sondern wie menschlich seine Perversion wirkt. Der Film spielt mit der Vorstellung, dass das Virus alle gesellschaftlich erlernten Konventionen und Hemmungen ausschaltet und so zeigt, wie weit die Fantasie der menschlichen Abartigkeit gehen kann.
Neben der schockierenden Brutalität setzt der Special-Effects-Künstler Victor Chang die Brutalität auf äußerst beeindruckende und kreative Weise um. Trotz der übertriebenen Gewaltdarstellung wirkt sie realistisch und echt. In Anbetracht der Tatsache, dass der Film sich selbst so ernst nimmt, habe ich dennoch etwas mehr als nur einen zugegebenermaßen kreativen Exploitation-Film erwartet und finde viel verschenktes Potenzial, um diese menschlichen Themen weiter zu erforschen, was den Film zu mehr als nur der brutalen Achterbahnfahrt gemacht hätte, die er schließlich wurde.
Die unangenehme Atmosphäre, die aufgebaut wird, die kreativen Effekte und vor allem die neue Herangehensweise an Zombies machen den Film dennoch zu einer Ausnahmeerscheinung in diesem Genre.